Wienerlied

 

Oh, du lieber Augustin, alles ist hin.

Und er, der bleiche, alte Himmel von Wien,
von den Farben verlassen, vom Regenbogen geschieden,
er hat immer noch das Verhältnis mit seinen schmierigen Geigen.
Und blühen im Prater die Bäume, dann kann man's riechen,
wie Sie's treiben,
s' ist zum Speiben!

Und sie, die alten, die bleichen Menschen dieser Stadt,
vor ihrem Hass und ihrer Dummheit haut der Tod sogar ab,
da stehen Altare in ihren Höhlen, von fetten Dackeln bewacht,
da werden die Enkerln geschlachtet
und dem Robert Stolz als Opfer dargebracht.

Oh, du lieber Augustin, alles ist hin.

Und die bleichen, alten Häuser zwischen Grinzing und Stadlau,
ich weiß, viele ihrer Keller sind zu Gaskammern umgebaut.
Und holt im Morgengrauen die Müllabfuhr vergaste Gastarbeiterkinder,
dann winkt aus jedem zweiten Fenster der leibhaftige Heinrich Himmler.

Und wenn in euch, euch bleichen alten Gasserln von Wien,
jede Nacht laut schnarchend die Besoffenen liegen,
dann schickt ihr eure Ratzen los, zum großen Mitternachtsschmaus
und die fressen dann den armen Schweinen
ganz einfach die Zungen aus dem Maul.

Oh, du lieber Augustin, alles ist hin.

Die Donau trägt zu lang schon ihre falschen, blauen Dauerwellen,
die Lipizzaner stehen zu lang schon ungeschlachtet in ihren Ställen,
den alten Damen haben wir zu lange schon die alten Hände geküßt,
und es wird höchste Zeit, dass man zum eigenen Vater endlich "du Arschloch" sagt,
wenn er wirklich eins ist!

Oh, du lieber Augustin,
ich zähl auf die bleichen Kinder von Wien,
oh, du lieber Augustin,
ich zähl auf die Kinder von Wien.


© edition karl scheibmaier wien